„Ich muss etwas Vorzügliches leisten…“, das ist nicht etwa der Ausspruch eines Neuntklässlers am letzten Tag vor den Osterferien, sondern mit diesen Worten legte der Königlich Preußische Musikdirektor und Komponist Josef Gung’l am 6. Februar 1868 den Grundstein für die Bad Reichenhaller Philharmonie.
1868 war ein besonderes Jahr für Reichenhall. Zwei vortreffliche Ideen, die sich damals wie heute beflügeln, wurden in die Tat umgesetzt: nicht nur das Orchester, sondern auch der Königliche Kurgarten wurden aus der Taufe gehoben. Beide bieten seither Einheimischen und Gästen Erholung, anregende Unterhaltung und musikalischen Hochgenuss.
Generalmusikdirektor Daniel Shaw lenkt derweil die musikalischen Geschicke im Haus der Philharmonie. Der US-amerikanische Dirigent weiß, worauf es ankommt, legt reichlich Erfahrung und Reputation in die Waagschale, weiß seine Rolle am Dirigentenpult mit der nötigen Dynamik zu interpretieren und bietet seinem Publikum ein breitgefächertes Repertoire unterschiedlicher musikalischer Stilrichtungen. Shaw stammt aus Nashville Tennessee, der „Welthauptstadt der Musik“ und steht seit Ende 2020 am Dirigentenpult.
Die Generalprobe der Philharmoniker ist vergleichbar mit dem Abschlusstraining des FC Bayern vor einem Championsleague Spiel. Kibitze sind in beiden Fällen unerwünscht, das Umfeld wirkt angespannt, alles ist streng geheim. Zutritt verboten. Die Schüler der 9 b hatten Glück. Die Philharmoniker machten eine Ausnahme. 
Am Eingang des Theaters wurde die Klasse zunächst vom erfahrenen Orchesterinspektor Ingo Nagel empfangen. Der plauderte aus dem Nähkästchen und die Schüler erfuhren Wissenswertes aus dem konzertanten Umfeld und waren erstaunt darüber, dass zum Beispiel Orchester an den lautesten Stellen eines Stückes eine enorme Lautstärke entwickeln, vergleichbar mit den rockmusikalischen Acts in Konzerthallen. Die Schüler durften im oberen Rang sitzen, von dort  aus hatte man eine gute Sicht auf die ca. 50 Musikerinnen und Musiker.  
Die veranstalteten zu Beginn ein Stelldichein der Dissonanzen, einen Auseinanderklang, eine Unstimmigkeit von Tönen, die als Missklang empfunden werden. Das Ganze firmiert unter dem Begriff „die Musiker spielen sich ein.“ 
Nach kurzer Zeit betrat auch Chefdirigent Daniel Shaw die Bühne und die Konzertmeisterin nahm mit ihrer Geige den Ton der Oboe ab. In Windeseile war das Instrumental-Ensemble bereit für seinen Einsatz und die Probe konnte beginnen. Da es eine Generalprobe war, wurden die Stücke einmal komplett gespielt und der Dirigent gab seine Anmerkungen am Ende der jeweiligen Komposition.
Auf dem Programm standen:
1. Felix Mendelssohn Bartholdy: Meeresstille und Glückliche Fahrt
2. Benjamin Britten: Konzert für Violine und Orchester  
3. „Edward Elgar haben wir nicht mehr gehört, da wir nur eine Stunde lang die Probe verfolgen konnten“, so Musiklehrerin Christine Lippl, die von Herrn Herold begleitet wurde.
„Die Schüler staunten, als die ersten orchestralen Töne zu hören waren!“, so Frau Lippl. „Es lag eine unglaubliche Spannung in der Luft, sodass sich keiner etwas zu sagen traute und einfach nur zuhören wollte.“ „Meeresstille und Glückliche Fahrt“ habe den Schülern am besten gefallen. Als sehr beeindruckend wurde auch das Geigenspiel der Solistin Charlotte Thiele empfunden. Sie ging so richtig in der Musik auf und es gelang ihr, spanisches Flair in den Konzertsaal zu zaubern.
Den Schülern sei sofort die ungleiche Gewichtung der einzelnen Instrumentengruppen im konzertanten Reigen aufgefallen: „Streicher seien fast immer im Einsatz gewesen, Trommler und Trompeter hätten oft längere Pausen einschieben können. Das Mitspielen in einem Orchester verlangt vom Einzelnen neben der Beherrschung seines Instrumentes vor allem Unterordnung in Stilistik und Spieltechnik, um dem Charakter des Gesamt-Ensembles gerecht zu werden.
Die Schüler jedenfalls hätten an diesem Vormittag grundlegende Einblicke in die „Welt“ des Konzertwesens gewonnen, so Frau Lippl. „Es war insgesamt ein schöner Ausflug und guter Abschluss vor dem Start in die Osterferien.“
 
C. Lippl/ J. Vesper