Die Erlöse unseres Weihnachtsbasars kamen heuer wieder einer neu errichteten Schule in einem Armenviertel in Windhoek, im afrikanischen Namibia gelegen, zugute. Aufgrund der Pandemie mussten die meisten Schulen in Afrika genauso schließen wie bei uns. Jetzt wissen viele Jungen und Mädchen nicht mehr, wie sie etwas zu essen bekommen sollen. Neben dem Unterricht fällt auch die regelmäßige Schulspeisung aus. In weiten Teilen Afrikas droht eine Hungersnot.

Dürre, Malaria, Kriege, HIV, Naturkatastrophen oder Heuschrecken, das Leben der Bewohner des afrikanischen Kontinents ist ständiger Bedrohung ausgesetzt. Spricht man bei uns vom Preis für die Eindämmung der Pandemie, meint man Wirtschaftsrezession, Arbeitsplatzverlust und eingeschränkte Bewegungsfreiheit. In den Ländern des globalen Südens ist die Rechnung eine ganz andere: Hier drohen weit mehr Menschen an den Folgen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie zu sterben als am Virus selbst:
Weil sie aufgrund von Ausgangssperren kein Geld mehr verdienen, um sich zu ernähren. Weil durch den ökonomischen Shutdown in Europa und Amerika ganze Zulieferindustrien in den Entwicklungsländern zusammengebrochen sind. Weil Lieferketten gekappt wurden. Weil Felder brachliegen und Nahrungsmittel teurer werden. Die nun drohende Hungerkatastrophe zu verhindern ist ein Wettlauf gegen die Zeit.
Eine Kleinstadt in Niger nahe der Grenze zu Nigeria, rund 2800 Einwohner, ein paar Hundert Lehmhäuser, mittendrin die Schule mit zwölf Klassenzimmern für 617 Kinder. Auf dem Bildungsindex der UN ist Niger das Schlusslicht, und überhaupt, findet Sani, habe man auch ohne Corona schon genug Krisen.
Niger gehört zur Sahel-Region. Über 40 Prozent der 22 Millionen Einwohner leben in extremer Armut, also von weniger als 1,90 Dollar am Tag. Dürren und Fluten als Folge des Klimawandels gefährden die Ernten, Aus dem Nachbarland Nigeria ist die islamistische Terrorgruppe Boko Haram eingedrungen, die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge steigt. Am 19. März wurde in der Hauptstadt Niamey der erste Corona-Fall gemeldet. Die Regierung schloss sofort Flughafen und Grenzen, wenig später auch Moscheen und Schulen. Sani schickte seine Schüler nach Hause und sorgte sich weniger um den versäumten Stoff als um deren Gesundheit. "Die lernen hier ja nicht nur. Die kriegen auch zu essen."
Fast 1,3 Milliarden Kinder sind aufgrund von Corona nicht in der Schule. Für mehrere Millionen, unter ihnen die Schüler in Niger, ist das potenziell lebensgefährlich. Die Schulmahlzeit ist meist die einzige, die sie am Tag bekommen. "Man kann Kinder online unterrichten", sagt Sani, "aber man kann sie nicht online ernähren."
In Niger funktioniert derzeit allenfalls Fernunterricht per Radio. Viel wichtiger als versäumte Mathe-Stunden ist derzeit ein halbwegs voller Magen. In einigen Orten wurde per Handy Geld an die Eltern überwiesen. In anderen begannen Lehrer, ihre Schüler täglich auf Fahrrädern zu beliefern. Die Lösung: Vorräte für mehrere Wochen verteilen. Am 27. April bekamen Mamane Sani und sein Schulbezirk mehrere Tausend Kilogramm Nahrungsmittel durch das WFP, vor allem proteinhaltige Linsen, "die haben wir an die Familien der Schüler verteilt". Jetzt versucht man für die Nahrungsvorräte weiter aufzustocken.

Johannes Vesper